Artikel | 01/14/2021 14:18:37 | 6 min Lesezeit

Das neue Zeitalter der Biochemikalien

Holzbasierte Biochemikalien sind erneuerbar und recyclingfähig. Sie können Lieferketten verkürzen und die Produktion auf lokaler Ebene ankurbeln. Und sie können in den verschiedensten Anwendungsbereichen eingesetzt werden.

Die Zukunft des Holzes hat begonnen. Bald werden alle möglichen Produkte – von Flaschen über Enteiser bis hin zu Reifen – aus holzbasieren Biochemikalien hergestellt werden. Damit wird ein neues Zeitalter der Nachhaltigkeit eingeläutet.

Die Idee ist nicht neu. Seit Jahren, wenn nicht sogar seit Jahrzehnten, wird darüber diskutiert, wie holzbasierte Produkte solche aus fossilen Materialen ersetzen könnten. Bis jetzt war diese Idee meist nur Theorie. Jetzt wird sie Wirklichkeit.

„Ich freue mich sehr“, so Juuso Konttinen, Vice President, Biochemicals, UPM. „Wir arbeiten schon seit vielen Jahren an der Untersuchung und Entwicklung verschiedener Verfahren zur Herstellung von Biochemikalien. Es ist absolut fantastisch, dass sich unsere harte Arbeit jetzt bezahlt macht.“

Anfang 2020 kündigte UPM den Bau einer neuen Bioraffinerie in Leuna an. Hier soll eine Reihe von Biochemikalien auf Holzbasis hergestellt werden, die fossile Rohstoffe ersetzen können. Es handelt sich dabei nicht um ein einfaches Labor, das die Möglichkeiten von Biochemikalien aufzeigen kann, sondern um ein großes Werk für mehr als 500 Mio. Euro mit einer voraussichtlichen Kapazität von 220.000 Tonnen pro Jahr. Damit hat ein neues Zeitalter für Biochemikalien begonnen.

Enorme Nachhaltigkeitsvorteile

„Sehen Sie sich um. Chemikalien finden sich praktisch überall: in der Farbe an der Wand, im Teppichboden und im Kunststoff in Ihrem Mobiltelefon“, sagt Michael Duetsch, Vice President, Biochemicals Business, UPM. „Heute bestehen 80 bis 90 % dieser Chemikalien aus fossilen Rohstoffen. Indem wir sie durch Chemikalien aus Biomasse ersetzen, machen wir unsere Zukunft nachhaltiger.“

Der Vorteil von Biochemikalien auf Holzbasis ist ihre Umweltfreundlichkeit. Holz ist eine recyclingfähige und erneuerbare Ressource, die Kohlenstoff speichern kann. Es wird eine wichtige Rolle bei der Einführung einer kohlenstoffneutralen Kreislaufwirtschaft spielen.

Darüber hinaus können Biochemikalien auf Holzbasis die Lieferketten verkürzen und auf regionaler Ebene die Wirtschaft ankurbeln. Fossile Brennstoffe werden oft um den halben Erdball transportiert. Holz hingegen kann vor Ort gewonnen und verwendet werden. Das hilft nicht nur den Menschen, die hier leben und arbeiten, sondern minimiert auch die finanziellen und ökologischen Kosten für den Transport.

„In dem Werk in Leuna wird Laubholz aus Deutschland eingesetzt“, so Duetsch. „Es ist gut, dass wir mehr einheimische Laubhölzer als  ‚ortsfremde‘ Weichhölzer industriell nutzen. Natürliche Laubwälder sind klimastabiler und tragen zur biologischen Vielfalt bei.“

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Unkomplizierte Alternative

Das Werk in Leuna wird Holz zu Biochemikalien der nächsten Generation verarbeiten. Aus erneuerbaren Glykolen werden Flaschen, Verpackungen, Textilien, Kosmetik und Reinigungsmittel hergestellt. Lignin kommt in Klebstoffen und Biokunststoffen zum Einsatz. Funktionale Füllstoffe auf Holzbasis finden Anwendung in Gummireifen und Thermoplasten. Es gibt zahlreiche Anwendungszwecke für Biochemikalien in der Industrie und in Endverbrauchsanwendungen.

„Es ist wichtig, dass unsere Kunden ihre bestehenden Wertschöpfungsketten nicht verändern müssen, z. B. in der Produktion und beim Recycling“, fährt Konttinen fort. „Der Umstieg von fossilen Materialien auf holzbasierte Alternativen ist unkompliziert. Die neuen Biochemikalien können einfach in den vorhandenen Prozessen eingesetzt werden, nur mit dem Unterschied, dass sie von Haus aus nachhaltig sind.“

Nachhaltigkeit ist der wichtigste Vorteil der neuen Biochemikalien. Sie werden zunächst ein Premiumprodukt sein, aber man braucht nur das Beispiel der erneuerbaren Energien vor Augen zu führen, um sich ein Bild von ihrem zukünftigen Wachstumspotenzial zu machen. Vor nicht allzu langer Zeit wurden Solar- und Windenergie nur eingesetzt, weil sie einen Beitrag zum Umweltschutz leisteten. Mittlerweile sind sie jedoch oft günstiger als Energie aus Kohle oder Öl. Können auch Biochemikalien auf Holzbasis kosteneffizienter werden als herkömmliche fossile Produkte?

„Das ist durchaus möglich. Die Kosten sollten in Zukunft sinken“, so Konttinen. „Wir optimieren unsere Systeme laufend und entwickeln verschiedene Technologien, um diese Materialien wirtschaftlicher machen.“

 

Der Umstieg von fossilen Materialien auf holzbasierte Alternativen ist unkompliziert. Die neuen Biochemikalien können einfach in den vorhandenen Prozessen eingesetzt werden, nur mit dem Unterschied, dass sie von Haus aus nachhaltig sind.

Ein neues Zeitalter für UPM

Das neue Zeitalter der Biochemikalien läutet zugleich auch ein neues Zeitalter für UPM ein. Die Kunden für Biochemikalien sind nicht die gleichen wie die, die Papier oder Holz von uns beziehen. Es reicht nicht, nur ein neues Werk zu bauen.

„Wir bauen nicht nur eine neue Fabrik“, erklärt Konttinen. „Wir bauen eine neue Organisation, neue Geschäftsprozesse und neue Systeme und Kompetenzen auf, um die neuen Kunden besser bedienen zu können.“

Molekulare Bioprodukte sind für UPM einer der drei Eckpfeiler für mehr Wachstum. Sie waren die Grundlage für das profitable Geschäft mit Biokraftstoffen und bilden nun den neuen Geschäftsbereich Biochemikalien. Die anderen beiden Eckpfeiler sind Spezialverpackungsmaterialien und hochwertige Faserprodukte. Gemeinsam bieten diese drei Säulen bis weit in die Zukunft Potenzial für nachhaltiges Wachstum.

„Das ist eine echte Herausforderung, denn das Geschäft mit Biochemikalien ist nicht nur neu für uns, sondern für die ganze Welt. Niemand hat das bisher gemacht, und es gibt keine Anleitung dafür“, sagt Konttinen. „Wir müssen all die neuen Technologien und Systeme erst entwickeln.“

Doch das ist kein Traum mehr. Der Bau der Fabrik in Leuna und das neue Zeitalter der Biochemikalien haben begonnen.

„Wir gehen davon aus, dass das Werk Ende 2022 in Betrieb gehen kann“, sagt Duetsch. „Im Jahr 2023 halten Sie dann vielleicht schon eine Flasche aus unseren Biochemikalien in Händen. Und wir fangen auch bei vielen anderen Produkten an, die Nachhaltigkeit zu verbessern.“

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