Artikel | 06/26/2024 09:20:28 | 6 min Lesezeit

Kreislaufwirtschaft bietet Lösungen für die Bauindustrie

Im Bauwesen wird jährlich eine große Menge an Gesteinsmaterial verarbeitet, allein in Finnland etwa 60 – 70 Millionen Tonnen. Gleichzeitig fällt ungefähr die gleiche Menge an Recyclingmaterialien an, die für die Bauindustrie geeignet wären. Dadurch bietet sich die einzigartige Gelegenheit, die Materialeffizienz zu verbessern, den Verbrauch natürlicher Ressourcen zu verringen und in der Branche Kreislaufwirtschaft zu fördern. Aber wie könnte ganz grundsätzlich eine gut funktionierende Kreislaufwirtschaft in der Bauindustrie in die Praxis umgesetzt werden?

Chancen für Kreislaufwirtschaft

Infrastrukturbau ist rohstoffintensiv und verursacht erhebliche Mengen an CO2-Emissionen. Marjo Koivulahti von Ramboll, einem weltweit tätigen Ingenieur-, Architektur- und Beratungsunternehmen, ist Projektleiterin im UUMA4-Programm, das darauf abzielt, in Finnland sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor den Einsatz von Recyclingmaterialien im Erdbau zu fördern. Laut Koivulahti könnte natürliches Gesteinsmaterial durch recycelte Materialien ersetzt werden, die von ungenutzen Flächen, aus industriellen Nebenprodukten und Abfällen bzw. bereits verbauten Materialien aus früheren Erdbaumaßnahmen stammen. Darüber hinaus untersuchen Koivulahti und ihr Team, wie sich der Einsatz von Betonbruch, Mineralschlacke und Asche aus der Müllverbrennung steigern lässt.

Ziel der UUMA-Programme ist es, den Umweltfußabdruck der Bauwirtschaft zu verringern, indem benötigte Rohstoffe durch Recyclingmaterial ersetzt werden. Der Fokus des Programms liegt auf der Förderung nachhaltiger Rohstoffe und der Vermarktung von recycelten Materialien. UPM, das sich zusammen mit dem Energieerzeuger Pohjolan Voimais am UUMA4-Programm beteiligt, ist der Auffassung, dass Asche stärker als bisher z. B. als Baustoff genutzt werden könnte.

Ein gute Beispiel ist die Papierindustrie. Die von UPM hergestellten Papiere enthalten bis zu 100% Recyclingfasern, erklären Michael Heberle, Central European Byproducts Manager, UPM und Heiko Hilbert, Project Manager, UPM. „Aus der bei uns in der Produktion anfallenden Asche stellen wir das Produkt CINERIT® her, das als Rohstoff für Zement und als Bodenstabilisator eingesetzt werden kann,“ sagt Heberle. „Ein weiteres von uns entwickeltes Produkt ist ELURIT®, das UPM als Ersatz für Natriumhydroxid bei der Zellstoffbleiche einsetzt. Das dritte Produkt, bei dem Asche verwertet wird, ist der Füllstoff ENVIROFIL®, mit dem wir einen maßgeblichen Teil des in der Papierprodukten benötigten Calciumcarbonats ersetzen konnten.“

Die aschebasierten Innovationen von UPM sind nicht nur kohlenstoffneutral und können den Bedarf an natürlichen Ressourcen verringern, sondern unterstützen Unternehmen auch bei der Reduzierung ihres CO2-Fußabdrucks.

„Der Kohlenstoffußabdruck  wird hauptsächlich beim Transport verursacht. Daher ist es in der Regel sinnvoll, lokal verfügbare Materialien einzusetzen. Wenn recycelte Materialien jedoch als Alternative zu umweltschädlichen Bodenstabilisatoren auf Zementbasis genutzt werden, kann ein Unternehmen seinen CO2 Fußabdruck auch bei längerenTransportwegen reduzieren,“ sagt Koivuhlati.

Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft

Obwohl recycelte Materialien einen unbestreitbaren Umweltnutzen bieten, werden die damit verbundenen Chancen nicht ausreichend genutzt. Wie Hilbert sagt, haben Abfallrohstoffe immer noch mit Vorurteilen zu kämpfen. Koivulahti stimmt ihm zu: „Es gibt im Hinblick auf Recyclingmaterial leider Missverständnise; deshalb nutzt die Bauwirtschaft diese wertvollen Rohmaterialien noch nicht im großen Stil.“

Darüber hinaus stehen dem Einsatz von recycelten Materialien, wie auch bei vielen anderen Innovationen, bürokratische Hindernisse entgegen. „Die gesetzlichen Einschränkungen hinsichtlich des Einsatzes von aus Abfall gewonnenen Produkten, die lange Dauer von Genehmigungsprozessen und erhebliche regulatorische Unterschiede zwischen einzelnen Ländern und Regierungen stellen eine große Herausforderung dar. Darüber hinaus bringen die unterschiedliche Sichtweisen der Entscheider ihre eigenen Herausforderungen mit sich. Und oft ist man schlicht nicht gewillt, von den gewohnten Praktiken abzuweichen. Die Einführung von abfallbasierten Technologien verzögert sich auch, weil vor allem in der Papierundstrie die Investitionstätigkeiten derzeit situativ bedingt rückläufig sind,“ so Koivulahti weiter.

Koivulahti hat die Erfahrung gemacht, dass es oftmals zu Problemen bei Infrastrukturprojekten durch Termindruck, Mangel an vorübergehenden Lagermöglichkeiten und lange Bearbeitungszeiten für Umweltgenehmigungen kommt. Glücklicherweise sehen Fachleute Möglichkeiten, diese Probleme zu lösen. Zum Beispiel könnte gesetzlich geregelt werden, welcher Anteil an Recyclingmaterial bei einem Projekt eingesetzt werden muss. Dies würde Heberle zufolge Rohstoffe sparen und sowohl die CO2-Emissionen als auch den Energieverbrauch senken.

Heberle glaubt, dass die Strategie der EU für nachhaltiges Bauen neben Baustoffen auch auf alle aus Abfällen gewonnenen Produkte ausgedehnt werden könnte. Die Gesetzgebung ist ein entscheidender Faktor, wenn es darum geht, die Entwicklung von Abfalltechnologien zu unterstützen und sie als lohnenswerte Investition darzustellen.  

Der Weg zur kommerziellen Nutzung

CINERIT®, ELURIT und ENVIROFIL® werden bereits in Österreich und Deutschland vermarket. Hilbert zufolge ist es wichtig, anderen Branchen zu zeigen, wie UPM die aus Abfällen gewonnenen Produkte in den verschiedenen Werken nutzt. Produktionsanlagen, die Recyclingmaterial einsetzen, spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Prozessen und neuen Innovationen.

„Eine zeitgemäße Kommunikation ist die Voraussetzung dafür, die Akzeptanz von recycelten Materialien in der Bauwirtschaft zu verbessern. Durch die Vermarktung der Materialien und die Weiterentwicklung der Bautechnolgie und der Entwurfs- und Beschaffungsprozesse kann ihr Einsatz maßgeblich gefördert werden,“ sagt Koivoulaht abschließend.

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