Im letzten Herbst bot sich Lebewesen aller Art in den Waldern von Finnland ein ungewohnliches Spektakel: Mit Papiertuten bewaffnete Forscher beaugten in gebuckter Haltung zahlreiche Exemplare von Baumschwammen. Gelegentlich gesellte sich Reijo Penttilä vom Natural Resources Institute Finland zu den Forschern. Er leitet ein Projekt zur Umsiedlung von Baumschwammen, die seit mehr als 30 Jahren Gegenstand seiner Forschungstatigkeit sind. Er nahm an der Sammlung von Proben seltener Baumschwammarten teil:
„In Europa gibt es über 400 bekannte Arten von Baumschwämmen. Hier in Finnland gibt es 250, und 41 % davon sind stark gefährdet oder müssen überwacht werden. Dieser Prozentsatz ist höher als bei jeder anderen taxonomischen Gruppe. Aus diesem Grund werden Baumschwämme in den Wäldern von Südfinnland, wo diese Arten am stärksten gefährdet sind, auf Totholz umgesiedelt. Das Umsiedlungsprojekt wird vom National Resources Institute Finland (Luke) und der Universität Helsinki in Zusammenarbeit mit UPM, Metsähallitus und der Stadt Helsinki durchgeführt.“
Reijo Penttilä vom Natural Resources Institute Finland forscht seit über 30 Jahren an Baumschwämmen.
Forscher ergründeten die Machbarkeit der Umsiedlung über einen Zeitraum von fast zehn Jahren anhand von zehn Arten. Die Ergebnisse waren so vielversprechend, dass im letzten Jahr ein breiteres Forschungsprojekt ins Leben gerufen wurde, um das Überleben gefährdeter Baumschwammarten zu gewährleisten. Baumschwämme gehören in vielen westlichen Ländern zu den gefährdeten Arten, aber ihre Erhaltung durch Umsiedlung war noch nie zuvor untersucht worden.
Pilze schlagen zurück
Das bahnbrechende Projekt, das im vergangenen Herbst begann, ist das größte seiner Art weltweit. Über einen Zeitraum von vier Monaten wurden in den Wäldern von Südfinnland und Kainuu Fruchtkörper von 23 gefährdeten Baumschwammarten gesammelt.
Im nächsten August und September werden Bäume in 10 bis 20 verschiedenen Waldgebieten mithilfe von Holzpfropfen mit Myzel beimpft. Die stark gefährdeten Arten werden auf natürlich entstandenes Totholz sowie in einigen Gebieten auf abgeschlagenes Unterholz aufgebracht. Dort können sie Fruchtkörper ausbilden und sich über die davon freigesetzten Sporen auf natürliche Weise im nahe gelegenen Totholz ausbreiten. Penttilä erklärt, dass mehrere Arten in Südfinnland derzeit so stark gefährdet sind, dass sich die Bestände ohne die Umsiedlung wahrscheinlich nicht erholen könnten.
„Natürlich genügt eine einzige Maßnahme nicht, um die biologische Vielfalt der Welt sicherzustellen. Baumschwämme dienen jedoch als Indikatorarten zur Messung der biologischen Vielfalt eines Waldes. Durch ihre Mitwirkung bei der Zersetzung tragen sie zur Schaffung der richtigen Bedingungen für viele andere Arten bei. Um die biologische Vielfalt zu fördern, ist es wichtig, verschiedene Arten nicht nur um ihretwillen zu schützen, sondern auch im Interesse anderer Lebewesen“, erklärt Penttilä.
Vogelperspektive
Der Ornithologe Juhani Koivu setzt sich schon von Kindesbeinen an aus einer anderen Perspektive mit der biologischen Vielfalt auseinander – der Vogelperspektive. Koivu ist der Gründer der weltweit anerkannten finnischen Osprey Foundation. Die Stiftung bietet finanzielle Unterstützung und fachmännische Beratung für Forschungs- und Naturschutzprojekte für Fischadler sowie für die wichtigen Beiträge von Hobby-Ornithologen, darunter Beringung, Bau künstlicher Nester, Erfassen von Zugwegen, Nistplätzen, Fütterung, Verteilung und Öffentlichkeitsarbeit.
In seinem Büro im Naturschutzzentrum der Osprey Foundation erzählt Koivu, dass die ersten Fischadler gerade aus ihren Winterquartieren in Afrika zu den lokalen Fischgewässern zurückkehren: „Sie sind phänomenale Navigatoren und verbringen ihr ganzes Leben im gleichen Nest. Wir konnten nachweisen, dass Fischadler es schaffen, zu genau dem gleichen Nest zurückzufinden – und das aus Tausenden Kilometern Entfernung. Etwaige Abweichungen von ihren Flugrouten hängen mit der Windrichtung zusammen. Sie sind große Vögel, die sich die Kraft des Windes zunutze machen. Fischadler navigieren auch zu bekannten Fressplätzen. Ich weiß von einem Fischadler, der beim Vogelzug stets eine einwöchige Pause am gleichen See in der Ukraine macht.”
Juhani Koivu hat sein ganzes Leben lang Vögel beobachtet. Er ist Gründer der finnischen Osprey Foundation.
Der Fischadler ist ein interessanter Vogel mit weltweiter Verbreitung. Er lebt auf jedem bewohnten Kontinent. Die Zukunft des Fischadlers in Finnland sieht derzeit besser aus als in früheren Jahrzehnten, weil er nicht mehr auf der roten Liste gefährdeter Arten steht.
Aber die Überlebenschancen des Fischadlers waren einmal weniger gut. Ab den 1930er-Jahren wurden in Finnland Prämien für Fischadler bezahlt, weil man sie für die Zerstörung der Fischbestände verantwortlich machte. Fischadler fressen tatsächlich Fische, sind aber nicht der Grund für die Verringerung der Fischbestände. Fischadler sind ähnlich wie andere Zugvögel in vielen Ländern auch anderen Bedrohungen wie Umweltgiften ausgesetzt.
Aufschlussreicher Raubvogel
Der Fischadler ist in vielerlei Hinsicht ein nützlicher Indikator für die biologische Vielfalt. Als großer Raubvogel am oberen Ende der Nahrungskette gibt er uns Aufschluss über den Zustand der lokalen Fischbestände und über Trends bei der Wasserqualität.
Aufgrund ihrer peniblen Habitatansprüche liefern Fischadler auch wertvolle Informationen über Wälder. Die Vögel bauen ihre Nester aus toten Ästen auf der jeweils höchsten verfügbaren Kiefer, von der aus sich eine unverbaute Sicht über die Umgebung bieten muss. Laut Koivu haben die Nester einen Durchmesser von mindestens einem Meter und sind 30 bis 100 Zentimeter hoch.
Ein Fischadler nistet mit seinem Brutpartner lebenslang – im günstigsten Fall Jahrzehnte – im selben Nest, sofern es keine höheren Bäume in der Gegend gibt und die Bedingungen ansonsten günstig bleiben. Nur eine bestimmte Art von Baumspitze ist geeignet, weil die Nester so groß und schwer sind, dass die Äste breit und stabil sein müssen. Hohe, alte Kiefern sind in bewirtschafteten Wäldern selten. Es wird aber versucht, ihre Anzahl zu erhöhen, indem ältere Bäume beim Einschlag verschont werden.
„Wir bewegen uns in die richtige Richtung. Der Fischadlerbestand hat zugenommen. UPM arbeitet mit der Osprey Foundation bereits seit ihrer Gründung zusammen. UPM verfügt über eine große Umweltabteilung und zahlreiche Forscher und war schon immer an der biologischen Vielfalt des Waldes interessiert“, so Koivu.
„Im Laufe der Jahre haben wir an verschiedenen Projekten zusammengearbeitet. Zu nennen wären beispielsweise ein umfangreiches Programm für künstliche Nester, die Überwachung der Nistplätze mit Nestkameras, die Verfassung und Verteilung von Informations- und Schulungsmaterial sowie die Nutzung eines GIS-Systems zur Aufzeichnung von Nistdaten“, erklärt Koivu, der mit den Ergebnissen dieser langjährigen Teamarbeit zufrieden ist.
Weltneuheit in Sachen Proaktivität
Timo Lehesvirta, Sustainable Forestry Lead bei UPM, ist nicht nur an dem Transplantationsprojekt für Baumschwämme und an den Fischadler-Projekten, sondern auch an allen anderen Initiativen von UPM für die biologische Vielfalt beteiligt.
„Seit über 20 Jahren setzen wir systematisch ein Programm zur Erhaltung der biologischen Vielfalt im Wald um. Das Programm umfasst Forschungsprojekte, praktische Maßnahmen und Gemeinschaftsprojekte, und wir haben viele gute Fortschritte gemacht. Die Baummischung ist vielfältiger geworden, und es gibt mehr Totholz, was wichtig ist, weil ein Viertel der Waldbewohner in Totholz lebt“, merkt er an.
„Im November haben wir unsere neuen Ziele für die biologische Vielfalt veröffentlicht, die zu den von UPM bis 2030 geplanten Verantwortungszielen gehören. Dies ist eine Weltneuheit. Kein anderes Bioökonomie-Unternehmen ist beim Schutz der biologischen Vielfalt so proaktiv. Unsere Ziele für die biologische Vielfalt werden von einer unabhängigen Gruppe von Forschern überwacht.“
Schutz des Lebens selbst
Lehesvirta weist darauf hin, dass die biologische Vielfalt noch vor 10 bis 20 Jahren vorwiegend Umweltschützer beschäftigte. Heute gilt sie als Thema, das für jeden relevant ist.
„Menschen tragen eine ethische Verantwortung für die Pflege anderer Arten. Unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden hängen von der organischen Welt ab, von morgens bis abends. Wenn wir die Natur und ihre Vielfalt schützen, schützen wir also das Leben selbst.“
Aus wirtschaftlicher Sicht ist die biologische Vielfalt der Eckpfeiler der gesamten Bioökonomie und daher ein überzeugendes wirtschaftliches Argument für die Pflege der Natur. „Durch die Förderung der biologischen Vielfalt und die verantwortungsvolle Nutzung natürlicher Ressourcen schaffen wir zu einer Zeit Wachstumschancen, da wir die Ära der fossilen Brennstoffe unweigerlich hinter uns lassen. Wenn wir über biologische Vielfalt sprechen, sprechen wir über das gesamte Lebensspektrum und alles, was uns die Natur bietet, von Nahrungsmitteln und Medikamenten bis hin zu Wohnhäusern und Freizeitangeboten.“
Text: Irma Capiten
Fotos: Reijo Penttilä; Juhani Koivu; Mit freundlicher Genehmigung der Interviewpartner